„VERNON SUBUTEX 1“ ist der erste Teil von Virginie Despentes‘ gefeiertem dreiteiligen Roman. Darin geht’s um das Schicksal des ehemaligen Plattenladenbesitzers Vernon Subutex. Früher war er fest verankert in der Pariser Subkultur. Aber die Veränderungen in der Musikindustrie und die Digitalisierung haben ihn in eine existenzielle Krise gestürzt. Vernon hat keinen festen Wohnsitz und besucht deshalb Freunde und Bekannte in ihren Wohnungen. Dabei bewegt er sich durch alle Gesellschaftsschichten.
Despentes beschreibt die Entwurzelung und den sozialen Abstieg ihres Protagonisten wirklich meisterhaft. Vernon Subutex ist sozusagen ein Spiegelbild unserer Gesellschaft, die sich in einem rasanten Wandel befindet. Die einst so glitzernde Welt des Rock ’n‘ Roll und der Exzesse wird in diesem Roman gnadenlos demontiert. Übrig bleibt die harte Realität von Armut und sozialer Isolation.
Der Roman ist eine Abrechnung mit der modernen Gesellschaft und gleichzeitig eine Hommage an die verlorene Welt der Subkulturen. Despentes‘ Schreibstil ist direkt und schonungslos, ihre Charaktere wirken echt und vielschichtig. Sie zeigt eine ziemlich düstere Welt, in der Freundschaften auf die Probe gestellt werden und Ideale zerbröckeln.
Und das alles findet hier als wuchtige Graphic Novel auf satten 304 Seiten statt.
Was ich auch sehr gelungen finde, ist, wie Despentes aktuelle gesellschaftliche Themen wie den Verfall sozialer Sicherheiten, die Macht der digitalen Wirtschaft und die Vereinsamung in einer scheinbar vernetzten Welt in den Mittelpunkt rückt. Dabei verliert sie nie den menschlichen Aspekt aus den Augen und erzählt eine Geschichte, die gleichermaßen berührt und aufrüttelt.
„Vernon Subutex 1“ ist mehr als nur ein Roman über den sozialen Abstieg eines Mannes. Es ist eine kraftvolle Erzählung über das Leben in einer Gesellschaft, die sich ihrer eigenen Werte zunehmend entfremdet. Dieses Buch ist ein Muss für alle, die sich für die aktuellen Entwicklungen in unserer Gesellschaft interessieren und diese kritisch hinterfragen möchten.
Für alle, die wie ich noch wissen, wie ein Plattenladen in den 1970er und 1980er Jahren aussah, ist das eine tolle Zeitreise mit dem einen oder anderen Déjà-vu.
Vernon Subutex ist eine urbane Legende, der letzte Zeuge einer Welt von Sex, Drugs und Rock ’n‘ Roll. Er ist ein Mann, mit dem es unsere Zeit nicht gut meint.
Dieses Buch wurde mir vom Reprodukt-Verlag zur Verfügung gestellt, und ich möchte mich an dieser Stelle dafür bedanken. Meine Meinung wird dadurch selbstverständlich nicht beeinflusst.
