Die Insel. Eine Geschichte West-Berlins. 1948–1990 von Wilfried Rott ist ein Buch, das einen hineinzieht in eine Zeit, die heute fast schon unwirklich erscheint. West-Berlin, eine Stadt wie eine Insel, umgeben von Beton, Stacheldraht und Schlagbäumen. Rott beschreibt diese Jahre nicht trocken, sondern mit spürbarer Nähe zum Geschehen. Man meint, den kalten Wind am Checkpoint zu spüren, den Klang der S-Bahn zu hören, die irgendwann nicht mehr weiterfuhr.
Ich bin in West-Berlin aufgewachsen, mitten in dieser besonderen Zeit. Bedroht oder eingemauert habe ich mich nie gefühlt. Es war einfach das Leben, das wir kannten. Die Stadt war lebendig, frei, irgendwie auch gelassen. Nur die langen Wartereien am Grenzübergang Dreilinden, wenn es Richtung Westdeutschland ging, erinnere ich noch deutlich. Diese Kontrollen, das langsame Vorrollen der Autos – das war lästig. Aber Angst? Nein. Die hatte ich nie.
Rott zeichnet diese Atmosphäre erstaunlich genau nach. Zwischen Frontstadt und Sehnsuchtsort entstand ein Lebensraum, der sich von allem anderen in der Bundesrepublik unterschied. Subkultur, Politik, Alltag – alles verwoben zu einem dichten Bild.
Besonders eindrücklich ist die unaufgeregte Art, mit der er erzählt. Keine Effekthascherei, sondern klare Sätze, präzise Beobachtungen. Die Wendezeit bekommt ein eigenes Gewicht, kein Pathos, nur der stille Moment des Umbruchs.
Am Ende legt man das Buch beiseite und spürt, wie vieles von damals noch mitschwingt. Ein Stück Geschichte, das sehr lebendig bleibt. Ein Buch für ruhige Abende, wenn draußen der Wind leise pfeift.