Nagomi & Ikigai von Ken Mogi

Nagomi & Ikigai von Ken Mogi

Es ist nicht so, dass ich mein Leben komplett auf den Kopf stellen möchte, aber in den letzten 2–3 Jahren habe ich gemerkt, dass ich gelassener geworden bin und einiges an Ballast abgeworfen habe – und das hat mir richtig gut getan. Natürlich ist noch genug davon da (ganz los wird man das wahrscheinlich nie), aber ein Leben ganz ohne Herausforderungen wäre ja auch langweilig, oder?

Seit etwa anderthalb Jahren habe ich außerdem angefangen, mich immer mehr für Japan zu interessieren. Anfangs waren es nur Kleinigkeiten, aber mittlerweile bin ich so weit, dass ich mir sogar japanisches Essen selbst koche.

Es schmeckt nicht nur fantastisch, sondern ist oft auch etwas gesünder als die typischen und natürlich leckeren Sachen wie Currywurst mit Pommes oder Pizza, die früher sehr oft auf meinem Speiseplan standen.

Ich merke auch, dass es mir insgesamt besser geht, wenn ich mir einfach mal etwas mehr gönne und bewusster auf mich selbst und mein inneres Wohlbefinden achte. Wobei ich das nicht als strenges Lebenskonzept sehe, das ich dogmatisch verfolgen will. Es ist eher ein langsames, natürliches Herantasten an das, was mir guttut.

Das Interesse an Japan hat dabei einen großen Einfluss auf mich gehabt. Ich schätze die Art und Weise, wie viele Japaner Ruhe und Freundlichkeit ausstrahlen.

Die Menschen, die ich bisher kennengelernt habe oder über die ich gelesen habe, scheinen eine gewisse Gelassenheit und Höflichkeit zu verkörpern, die mich wirklich inspiriert.

Da dachte ich mir: Ein bisschen von dieser inneren Ruhe könnte ich mir auch aneignen. Gerade in der heutigen Zeit, in der alles so hektisch und von Druck geprägt ist, fehlt oft die Rücksichtnahme und der Respekt im Umgang miteinander.

Es fiel mir übrigens auch schon bei den Konzerten der japanischen J-Rock-Kultband X-Japan auf, bei denen ich war. Die japanischen Fans waren einfach freundlich und respektvoll.

Yoshiki, der Drummer und Pianist, den ich bei einem Solo-Konzert erleben durfte, hat eine sehr freundliche, zurückhaltende Art. Man glaubt als Europäer, es sei Schüchternheit, aber ich sehe es als eine besondere Art von Ruhe und Respekt, verbunden mit einer gewissen Demut.

Deshalb lese ich zurzeit zwei Bücher, die mich sehr inspirieren und mir immer wieder zeigen, was wirklich wichtig ist. Sie erinnern mich daran, wie gut es tut, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren und sich Zeit für die Dinge zu nehmen, die das Leben lebenswert machen – genauso wie ich es in den letzten Jahren immer häufiger für mich entdeckt habe.

Nagomi ist ein japanisches Konzept, das sich auf Harmonie, Ausgeglichenheit und inneren Frieden bezieht. Es verkörpert das Streben nach einem Zustand des Gleichgewichts und der Harmonie sowohl innerhalb der eigenen Person als auch in den Beziehungen zu anderen und der Umwelt.

Das Wort „Nagomi“ selbst bedeutet „Harmonie“ oder „Ruhe“, aber es geht über die bloße Abwesenheit von Konflikten hinaus. Es beschreibt den Wunsch, durch Integration und Ausgleich von Widersprüchen oder Spannungen ein Gefühl von Ganzheit zu erreichen.

In der japanischen Kultur ist Nagomi stark mit der Vorstellung von sozialer und persönlicher Harmonie verknüpft und steht im Einklang mit dem Streben nach einem ausgewogenen und friedvollen Leben.

Im Alltag kann Nagomi bedeuten, dass man Konflikte vermeidet oder Kompromisse eingeht, um ein harmonisches Zusammenleben zu ermöglichen. Es bedeutet auch, innere Harmonie zu finden, indem man einen Weg wählt, der zwischen den eigenen Wünschen, den Erwartungen der Gesellschaft und den natürlichen Rhythmen des Lebens vermittelt.

Nagomi ermutigt dazu, im Einklang mit sich selbst und der Welt zu sein, ohne extreme Maßnahmen zu ergreifen oder zu sehr auf eine Seite zu kippen.

In gewisser Weise ähnelt es dem Zen-Prinzip des Gleichgewichts und der Akzeptanz der Gegensätze im Leben.

Ikigai ist ein japanisches Konzept, das die Idee eines erfüllten und sinnvollen Lebens verkörpert. Wörtlich übersetzt bedeutet „Ikigai“ etwa „das, wofür es sich zu leben lohnt“ oder „der Grund des Seins“. Es wird als der Schnittpunkt zwischen vier wesentlichen Elementen beschrieben:

  1. Was du liebst (Leidenschaft)
  2. Worin du gut bist (Talent)
  3. Wofür du bezahlt werden kannst (Berufung)
  4. Was die Welt braucht (Mission)

Das Konzept von Ikigai hilft Menschen, ihren Lebenszweck oder ihre Daseinsberechtigung zu finden, indem es sie dazu ermutigt, etwas zu tun, das sie lieben, das ihre Fähigkeiten einsetzt, das sie unterstützen kann und das einen positiven Beitrag zur Welt leistet.

Im japanischen Alltag ist Ikigai oft mit kleinen Dingen verbunden, die Freude und Zufriedenheit im täglichen Leben bringen – es muss nicht immer eine große Lebensaufgabe sein.

Es kann so einfach sein wie eine tiefe Wertschätzung für den Morgenkaffee, das Streben nach persönlicher Erfüllung in der Arbeit oder die Pflege bedeutungsvoller Beziehungen.

Ikigai zielt darauf ab, Balance zu finden und langfristig ein Leben in Harmonie, Zufriedenheit und Selbstverwirklichung zu führen.

Daher kann ich diese beiden Bücher von Kenichirō „Ken“ Mogi (japanisch: 茂木 健一郎), einem japanischen Neurowissenschaftler und Autor, empfehlen. Er studierte Natur- und Rechtswissenschaften in Tokio und Cambridge. Er lehrt an Universitäten und veröffentlicht wissenschaftliche Texte sowie eine Vielzahl von Romanen, Essaybänden und populärwissenschaftlichen Sachbüchern, die in Japan regelmäßig auf der Bestsellerliste stehen und sich insgesamt eine Million Mal verkauft haben.

Die Bücher sind im Dumont Verlag erhältlich, bei dem ich mich freundlicherweise und ausdrücklich für die beiden Rezensionsexemplare bedanken möchte. Das hat keinerlei Auswirkung auf meine Meinung. Wer mich und BURGTURM kennt, weiß das. Ehrensache!


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